wunderbarer Artikel in der Huffington Post

Jul 23 2015

wunderbarer Artikel in der Huffington Post

Warum ich als Feministin gegen ein Prostitutionsverbot bin
von

Gründerin des Online-Magazins „menschenhandel heute“, Historikerin


Wir alle kennen Sexarbeiter*innen und Kunden – wir wissen es nur nicht. Wir fragen auch nicht – oder wer hat schon mal eine*n Sexualpartner*in nach Prostitutionserfahrungen gefragt? Wahrscheinlich würden viele von uns mit der einen oder anderen ehrlichen Antwort auch ihre Schwierigkeiten haben. Und das ist Teil des Problems.

Wenn wir über Prostitution reden, dann meistens etwas verhalten oder auf zutiefst abfällige Art: Prostituierte sind nur arme Ausländer*innen oder drogenabhängige Frauen oder sowieso solche, die in der Kindheit missbraucht wurden.

Freier? Ja, über diese „armen Schweine“ redet man sowieso nicht, man lästert höchstens, und ein wirklich männlicher Mann „braucht das ja nicht“.

Dabei wissen wir schon lange, dass Männer und Frauen aus allen gesellschaftlichen Schichten, aus allen Berufen und Religionen, Sex kaufen und verkaufen.

Nicht nur der Kollege oder Ehemann, der für Sex bezahlt, sondern auch die eine oder andere Kommilitonin, Kollegin oder Mutter verdient ihr Geld mit Sexarbeit. Vielleicht kauft sogar die Chefin oder Kommilitonin Sex, während der Nachbar von nebenan sein Geld als Escort oder Pornodarsteller verdient. Es sind nicht nur Männer, die Sex von Frauen kaufen und – wohlgemerkt – nicht die Frau selbst kaufen.

Aber darüber reden wir nicht – weil wir lieber unsere verruchte Pornofantasie von Sexarbeit als Ort, an dem böse Männer unschuldige Frauen ausbeuten, aufrechterhalten. Wir vermeiden es gezielt, offen und auf Augenhöhe mit den Beteiligten – in diesem Fall Kund*innen und Sexarbeiter*innen – zu sprechen.

Stattdessen wird Tag ein, Tag aus über die Erfahrungen dieser Menschen fantasiert. Fast schon wie in einem Märchen gibt es böse Männer, die unschuldigen Frauen etwas Schlimmes antun, die dann wiederum von anderen guten Helden gerettet werden, um anschließend ein gutes Leben zwischen Ehe und Arbeit zu führen.

In dieser Fantasie der Prostituiertenrettung kommen irgendwie alle zum Zug, außer die Sexarbeiterin, die nicht gefragt wurde, ob sie das wollte oder was sie denn überhaupt für ein Leben will. Viele nehmen sich inzwischen die Freiheit, für Prostituierte entscheiden zu wollen, was sie denn nun mit ihrem Körper machen dürfen und was nicht. Der Prostituierten selber wird ihre Stimme geklaut.

Diese Fantasie ist gerade von der Lebensrealität der bulgarischen und rumänischen Sexarbeiter*innen weit entfernt. Obwohl ihr Leben geprägt ist durch Armut und oft auch Aussichtslosigkeit und Verzweiflung, kommen viele bewusst nach Deutschland, um der Sexarbeit nachzugehen, weil sie hier vergleichsweise mehr verdienen.

Sie werden hier auch nicht kriminalisiert, wie in Bulgarien und Rumänien. Das bedeutet vor allem, dass sie hier weniger Polizeigewalt und -schikane erfahren.

Sie vermeiden auch, dass ihre Familie davon erfährt, wie sie ihr Geld verdienen, weil sie Angst haben, verstoßen zu werden – eine Reaktion, die nicht wirklich selten ist.

Übrigens auch bei Familien deutscher Sexarbeiter*innen.

Es ist in letzter Zeit leider im Trend, Verbote von Prostitution als Wunderheilmittel zu glorifizieren, als würde ein solches Verbot gegen alle Ungerechtigkeiten dieser Welt Wunder wirken: Armut, sexuelle Gewalt, Gender Pay Gap, Sexismus, Menschenhandel, Ausbeutung, usw. würden auf einem Schlag verschwinden. Doch eigentlich ist das nur ein Sündenbock für andere gesellschaftliche Probleme. Damit kann man von einer komplexen Debatte über ernste Probleme und strukturelle Lösungen gut ablenken.

Neben Anti-Prostitutionsfeminist*innen sind es oft (aber nicht immer) auch religiös inspirierte Menschen, die Prostitution loswerden wollen. Sie alle wollen „Prostitution abschaffen“, indem sie sie verbieten und indem sie gegen die Anerkennung von Prostitution als Arbeit kämpfen.

Aber eine gesellschaftliche Praxis, in der Geld gegen Sex ausgetauscht wird (was ehrlicherweise auch in der Ehe oft der Fall ist), kann man mit Verboten nicht wirklich „abschaffen“. Es reicht ein Blick in die USA, wo Prostitution schon immer komplett verboten war oder nach Schweden, wo ein heuchlerisches Halbverbot die Prostitution in einer gefährlichen rechtlichen Grauzone stattfinden lässt, die eine Garantie für Ausbeutung ist.

Doch was würde ein Verbot ändern? Würde ein Prostitutionsverbot wirklich sexuelle Ausbeutung von Kindern verhindern? Würde ein Prostitutionsverbot die Armut in anderen Ländern lindern? Würde ein solches Verbot bessere Jobs und bessere Bezahlung für Frauen schaffen? Würde ein Prostitutionsverbot Armutsprostitution verhindern? Nein.

Ein Prostitutionsverbot würde lediglich dazu beitragen, dass der Staat durch Strafen an der Prostitution mitverdient; es würde die Unterteilung von Frauen in gute und schlechte Frauen, in Hure und Heilige aufrechterhalten und damit die Diskriminierung und Ausgrenzung der „schlechten Huren“ legitimieren; das wiederum legitimiert Gewalt gegen Sexarbeiter*innen – auch durch die Polizei.

Wo Prostitution verboten ist, hat die Bestrafung von Kunden und Prostituierten höhere Priorität, als die Bestrafung von Gewalt gegen Sexarbeiterinnen, inkl. Vergewaltigung und Mord. Kein Wunder, dass Gewalt nicht mehr angezeigt wird und de facto straflos bleibt. Kein Wunder, dass es gerade in den USA immer wieder Serienmörder von Prostituierten gibt, weil sie wissen: Die Polizei interessiert sich sowieso nicht für „Huren“.

Weil es so viele Migrant*innen in der Prostitution gibt, soll es ein Verbot geben? Das würde diese Frauen doch erst recht in die ungeschützte Illegalität treiben, wo sie im Zweifel – wie auch in Schweden – selber kriminalisiert und abgeschoben werden. Die Armut im Heimatland und der Wunsch nach einem besseren Leben werden durch ein Verbot natürlich nicht abgeschafft.

Ein Prostitutionsverbot verurteilt Prostitution und somit alle daran beteiligten – auch die Prostituierte. Wer Sexkauf verbieten will, weil angeblich Frauen zur „Ware“ gemacht werden, betrachtet Sexarbeiter*innen nicht als vollwertige Menschen mit Rechten – sie seien ja schließlich nur eine „Ware“. Und eine Ware, das wissen wir ja vom Supermarkt, spricht nicht, sagt nichts. Sie ist ein Gegenstand.

Zur Enttäuschung der Prostitutionsgegner*innen muss ich leider an die Menschlichkeit von Sexarbeiter*innen erinnern. Sexarbeiter*innen verlieren ihre Menschlichkeit und Menschenwürde nicht, wenn (und weil) sie Sex verkaufen. Sie können sprechen – ja, sogar mit Kunden Preise und Leistungen verhandeln – und sie können sogar politische Forderungen äußern. Sie sind Bürgerinnen und Bürger, wie wir alle auch! Um Mensch zu sein, müssen sie Sexarbeit nicht aufgeben – sie sollten es natürlich dürfen.

In letzter Zeit beschweren sich Prostitutionsgegner*innen immer häufiger, dass Prostituierte gehört werden und dass über sie berichtet wird. Sie werden als „Minderheit“ oder „privilegiert“ abgestempelt und ihre Ansichten als irrelevant, gar unerwünscht darstellt. Damit wird die jahrtausendalte Exklusion von Prostituierten aus der Gesellschaft unter dem Deckmantel der „Frauenrechte“ fortgesetzt.

Anstatt diese „privilegierten“ Sexarbeiter*innen zu fragen, wie man denn für alle Prostituierten gute Arbeitsbedingungen schaffen kann, regen sich manche darüber auf, dass sie nicht zur Prostitution gezwungen sind. Dabei frage ich mich: Wie kann man sich über die guten Arbeitsbedingungen anderer Leute aufregen? Sollten wir uns nicht freuen, dass das überhaupt möglich ist?

Die gesellschaftliche Tabuisierung und Stigmatisierung von Prostitution und pseudo-pornographische Gewaltgeschichten über Prostituierte verhindern einen respektvollen Dialog mit Sexarbeiter*innen, Kund*innen und dem Rest der Gesellschaft. Wir reden über sie, nicht mit ihnen. Kein Wunder, dass die meisten von uns nicht wissen, wer aus dem Freundeskreis schon mal Sex gekauft oder verkauft hat.

Als Feministin muss ich ein Verbot von Prostitution ablehnen, egal ob es jetzt den Sexkauf, den Sexverkauf oder beides betrifft – Verbot ist Verbot! Der Tausch von Sex gegen Geld ist nicht per se unmoralisch oder mit Gewalt verbunden.

Prostitution ist auch nicht per se ein Männerrecht gegenüber Frauen, denn schließlich können alle Geschlechter von allen Geschlechtern Sex kaufen, wenn ihn jemand anbietet. Prostitution ist kein Recht auf eine Vergewaltigung, schließlich bedeutet Sexarbeit, dass jede Sexhandlung ausgehandelt und abgesprochen ist. Das ist doch das Gegenteil von Vergewaltigung! Und erlaubt sich mal jemand, wie in der Geschichte von Marie, einer Sexarbeiterin ungewollt den Penis in den Mund zu rammen, ja, dann darf sie in einem Land, wo Prostitution legal ist, Anzeige erstatten, ohne selbst eine Bestrafung zu fürchten.

Ich wünsche auch jeder Person, die mit Sexarbeit anfangen will, eine Einstiegsberatung. Denn, anders als viele glauben, wird dort niemand in die Prostitution gedrängt. Es kann sogar sein, dass man merkt, dass man es doch nicht will oder dass „Prostitution“ nicht die Fantasie ist, die man im Kopf hatte.

Vor allem aber lernt man, welche Rechte man hat und wie man sich in diesem sicherlich einzigartigen Job am besten schützt – psychisch und körperlich. Ich habe noch keine Sexarbeiterin getroffen, die der Meinung war, dass das ein einfacher Job sei, der für alle geeignet sei. Aber ich habe viele getroffen, die sich nicht ständig dafür rechtfertigen wollen. Und das ist ihr gutes Recht.

Artikel hier:


  • #1

    Daniel Wolff (Dienstag, 28 Juli 2015 23:06)

    Hi Deva!
    Danke für Deinen Artikel – die Vielschichtigkeit, und was Du alles damit ansprichst.
    Selber arbeite ich mit Berührung, auch im Intimbereich – ohne mich auf sexuelles Miteinander mit KundInnen einzulassen.
    Würde mich ein Verbot von Sexarbeit, Prostitution also überhaupt betreffen?
    Ja.
    Warum?
    Kunden, die bei mir sind, legen oft peinlichst genauen Wert auf Diskretion. Niemand soll wissen…
    So, wie Sexualität und Sehnsucht nach Erfüllung den meisten peinlich ist, und kaum mit jemand wirklich besprochen wird,
    trüge ein Verbot von Prostitution weiter zum Verstecken bei. Würde noch mehr Schattenreiche erzeugen – Sehnsüchte von Männern und auch Frauen ins Dunkle verschieben. Menschen, die bestimmte Phantasien haben, kommen sich unter einem Prostitutionsverbot nicht nur komisch, sondern auch noch wie Verbrecher vor.

    In der ganzen Diskussion um Prostitution braucht es diesen Blick auf die Schattenreiche! Wir HABEN Phantasien, und wir HABEN Dunkles in uns. Dafür braucht es Öffentlichkeit, Mitteilungsräume – und eine innere Erlaubnis zu der PHANTASIE.
    Nur, was gefühlt, gesehen und geäußert werden darf, hat eine Chance auf Verwandlung.
    Prostitution als ehrenwerten, als öffentlichen Beruf-wie-ein-anderer-auch zu verbieten, heißt, dieses gesellschaftlich brisante und relevante Thema den Verbrechern zu überlassen.

    Was soll denn noch alles unserer Verantwortung entzogen werden, unserer ehrlichen Auseinandersetzung verwahrt bleiben?
    Wird irgendwann der Sex verboten – weil unter dem Deckmantel von Sex ja auch viel Gewalt passiert?

    Und noch etwas:
    Ich bin selber etwa eineinhalb Jahre zu einer Prostituierten gegangen – ich bin heute noch zutiefst dankbar, dass sie mir Raum gegeben hat. Immer wieder war ich auch dort, ohne Sex, einfach zum Reden – oder auch mit Sex – und es war für uns beide total schön und in Ordnung.
    Sie ist vor ca 10 Jahren aus Estland zu uns gekommen, mit ihrem 8jährigen Sohn.
    Um ihm eine andere Zukunft zu ermöglichen, als sie es unter Alkoholikern in ihrer Heimat selbst ertragen musste – hatte sie sich ein Zimmer in einem Laufhaus gemietet. Miete 90 Euro. Täglich.
    Alternativen zu solchen Mieten?
    Keine. Denn einer Prostituierten vermietet niemand ein Zimmer, außer einem LaufhausEigentümer, der dafür 90 Euro pro Tag nimmt.

    Wäre Prostitution ein Beruf, der als Basisarbeit, als Phantasiereise, als Zwischenlösung, als Weiterentwicklung, als Arbeit an der Verehrung von Sexualität, als Forschungsbereich für Sexualität und Gesundheit, als Bearbeitungsstätte von Scham, von Verachtung, von Einsamkeit, von Schmerz, von Resignation, von Hilflosigkeit, von Gewaltbereitschaft, von Mißbrauch, von Mangel an Erfahrung, von…….. gesehen und entwickelt würde – wären all das die Bereiche, die eine Prostituierte oder ein Prostituierter in anerkannten Ausbildungsstätten sich aneignen könnte –
    und wäre Prostitution als Gradmesser für eine freie Gesellschaft, für Treue, für Offenheit, für Freude am Sex, für Sensibilisierung von Körper und Seele
    anerkannt
    gefördert
    geehrt

    vielleicht sogar einmal als „Sexarbeit – Made in Germany“ überall in der Welt gefragt –

    wäre nicht DAS die Forderung, die Menschenrechtler machen müssten?

    Ein Verbot von Sexarbeit und Prostitution ließe die Perspektive einer zärtlichen,
    sinnlichen, liebenden und ehrenden Sexualität noch weiter zerstören.

    Daniel
    männer-massage-welt.de

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